Übersetzung der Transkription des englischen Vortrages Where the Two Seas Meet: Meditation
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Vortragsbeginn:
Ich möchte mit einem kurzen Zitat von Muhâsibî, einem Sufi des 9. Jahrhunderts aus Bagdad, welches das Zentrum des frühen Sufismus war, beginnen. Er sagt: "Die Hauptbeschäftigung des Mystikers ist die Meditation; durch sie kann, wer aufrichtig und gottesfürchtig, auf der Reise zu Gott vorwärts gelangen."
Wenn man sich mit Sufismus auseinandersetzt, ist auffallend, dass Meditation nur selten erwähnt wird. Es gibt in den Sufi Schriften keine Beschreibung von Meditationstechniken, wie man sie z.B. in den Upanischaden findet oder auch im Buddhismus -- ich kann keine Arabischen oder Persischen Quellen lesen, und meine Möglichkeiten sind daher natürlich beschränkt --, aber in den Sufi Schriften findet man Beschreibungen über das Verschmelzen, über den Pfad, der von fanâ zu baqâ führt -- von der Vernichtung zum Verweilen in Gott. Doch ich habe keine detaillierten Beschreibungen von Meditationstechniken gefunden.
Dennoch gibt es viele Hinweise dafür, dass die Sufis Meditation praktizierten. Die Sufis sprechen z.B. viel über das Erinnern Gottes, die Erinnerung des Herzens, über das Gebet, das Studium des Korans. Und obwohl sie keine Meditationstechniken beschrieben, deutet doch vieles darauf hin, dass sie Meditation praktizierten.
Es gibt eine wunderschöne Geschichte von Bâyezîd Bistâmî, er war einer jener frühen Sufis, der diese unglaublichen Zustände von Einheit mit Gott und tiefe Zustände von Berauschtheit erlangte.
Bâyezîd Bistâmî saß zu Füssen seines Lehrers, als dieser ihn plötzlich bat: "Bâyezîd, hol mir das Buch dort beim Fenster."
"Das Fenster? Welches Fenster?", fragte Bâyezîd.
"Wie denn?", sagte der Meister, "all diese Zeit bist du hierhergekommen und hast das Fenster nicht gesehen?"
"Nein", erwiderte Bâyezîd. "Was habe ich mit dem Fenster zu schaffen? Wenn ich in Eure Gegenwart komme, schließe ich meine Augen vor allem anderem. Ich bin nicht gekommen, um herumzuschauen."
"Da dem so ist", sagte der Lehrer, "kehre zurück nach Bestâm. Deine Arbeit ist vollendet." (1)
Diese Art von Ausschließlichkeit, diese Art von geradeaus gerichtetem Blick, der nie zur Seite schweift, ist eine Eigenschaft der inneren Ausgerichtetheit, die zur Meditation gehört.
Ich sollte zuerst erwähnen, dass ich absolut süchtig nach Meditation bin. Ich glaube, dass die Meditation das wunderbarste Geschenk ist, das der Menschheit gegeben wurde. Ich habe in den letzten vierzig Jahren wohl täglich zwei bis drei Stunden mit Meditieren verbracht, und ich finde es außerordentlich. Jede Meditation ist immer noch vollständig neu, vollständig anders. Man weiß nie, was passieren wird. Ja, es gibt Zeiten, da macht man einfach seine Praxis, und es geschieht nicht viel. Dann gibt es Zeiten, in denen man unerwartete Bewusstseinszustände erfährt.
Denn ich glaube, dies ist der Zweck der Meditation, der Grund, warum diese Technik, diese spirituelle Technik, denn genau das ist es, der Menschheit gegeben wurde, um uns Zugang, direkten Zugang zu geben zu höheren Bewusstseinszuständen. So einfach ist das. Es ist eine Technik, eine Methode, wie wir über den Verstand, der in den Dingen dieser Welt gefangen ist, hinausgehen können und die kontinuierliche Ablenkung und all die Bilder, die im Wachbewusstsein auf uns zukommen, hinter uns lassen können, so dass wir direkten Zugang haben können, nicht nur zu einem höheren Bewusstseinszustand, sondern zu höheren Bewusstseinszuständen. Dies möchte ich heute etwas näher beleuchten.
Meine erste Meditationserfahrung war eine Zen-Meditation. Ich war sechzehn, ging in einem englischen Internat zur Schule und hatte überraschend eine Zen-Meditation entdeckt. Ich schloss meine Augen und versetzte mich in diesen Zustand von vollständiger Leere oder Nichtsein, so wie es in diesem Zen-Handbuch beschrieben war. Plötzlich hatte ich diese reale Erfahrung einer ganz anderen Wirklichkeit, jenseits des Verstandes, die viel weiter, viel leerer war, viel dynamischer als alles, was ich jemals erlebt hatte. Es öffnete die Tür zu einer Welt, die tatsächlich immer um uns herum gegenwärtig ist, aus der uns aber unser normaler Bewusstseinszustand verbannt hat oder uns davon getrennt hält.
Ich glaube, man kann sagen, dass es für mich von jenem Moment an kein Zurück mehr gab, denn das Bewusstsein zu erforschen -- Bewusstseinszustände zu erforschen, solange man noch in dieser Welt lebt -- scheint mir die schönste Beschäftigung überhaupt. Weil man allmählich begreift, glaube ich, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.
Was mögen die Gründe dafür sein, dass diese Techniken in Indien so gut und detailliert dokumentiert wurden, im Sufismus des Mittleren Ostens hingegen nicht? Wie bereits erwähnt, ich kann weder Arabische noch Persische Quellen lesen, und so mag es in irgendwelchen Bibliotheken in Kairo oder Alexandria Aufzeichnungen geben, die Anleitungen für Sufi Meditationstechniken enthalten. Aber unser Pfad, der Naqshbandi Pfad, dem ich zugehöre, gelangte im 17. Jahrhundert nach Indien und übernahm dort einige indische Meditationstechniken und entwickelte sie weiter.
Doch wenn man zwischen den Zeilen liest, oder man gezielt sucht, dann ist es, auch bei diesen frühen Meistern wie Muhâsibî oder Bâyezîd Bistâmî, ganz offensichtlich, dass im frühen Sufismus Meditation praktiziert wurde. Daran möchte ich nun anknüpfen.
Wie bereits erwähnt, ist es wichtig zu verstehen, dass es eine Technik ist, um den Verstand hinter sich zu lassen, mit seinem fortwährenden Geplapper, das einem von anderen Bewusstseinsebenen, von anderen Realitätsebenen trennt. Dahinter stehen die Überlieferung und das esoterische Wissen, dass der Mensch auf vielen verschiedenen Bewusstseinsebenen funktionieren kann. Aber man braucht Techniken, um sich für diese Bewusstseinsebenen zu öffnen.
Im Sufismus ist, anders als im Buddhismus, das zentrale Thema die Beziehung des Liebenden zum Geliebten. Dies ist der Kern, die Essenz des Sufismus; es ist eine Liebesbeziehung mit Gott. Ob du den Geliebten nun Er, Sie, Es nennst, spielt keine Rolle -- es ist eine Liebesgeschichte. Ich benutze oft die Bezeichnung "Er", weil es mir schwierig erscheint, mit einem "Es" eine Liebesbeziehung zu haben.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit kurz hinzufügen, dass mich verschiedentlich Leute gefragt haben: "Aber warum benutzt du die Bezeichnung "Er", um den Geliebten zu benennen?". Der Grund dafür ist ganz persönlicher Natur, denn ich war bei meinen ersten direkten Erfahrungen von dem, was ich nur den Geliebten nennen kann, in einem Zustand weiblicher Empfängnis. Man sagt: "Die Seele ist immer weiblich vor Gott." Und der Geliebte kam zu mir als männliche Energie, die mich durchbohrte, wie bei dieser schönen Bernini Skulptur von Theresa von Avila, wo der Pfeil ihr Herz durchbohrt. So habe ich es erfahren.
Das hat sich in meinem Gedächtnis eingeprägt, ein bisschen so, wie man sich an den ersten Kuss ein ganzes Leben lang lebhaft erinnert. Denn obwohl ich den Geliebten auch mit seinen weiblichen Eigenschaften erlebt habe, so voller Zärtlichkeit und Fürsorge, diese ganz weichen Eigenschaften, so ist mir doch immer dieser erste Eindruck gegenwärtig. Wenn ich die Augen zumache und innerlich zu meinem Geliebten gehe, ist da diese Prägung einer männlichen Präsenz.
Deshalb bezeichne ich gewöhnlich Gott mit "Er". Das hat überhaupt nichts mit einer patriarchalen Prägung oder Konditionierung zu tun. Im Gegenteil. Es hat mit meiner Erfahrung, in einen Zustand weiblicher Empfängnis vor Gott zu sein, zu tun, und diese ursprüngliche Energie als männliche Kraft zu erfahren, die mich buchstäblich durchbohrt.
Aber wie ich bereits gesagt habe, ist im Sufismus die Beziehung von Liebendem und Geliebten von zentraler Bedeutung. Und wenn man diese Beziehung haben will, dann braucht man einen Ort, wo diese Beziehung gelebt werden kann. Man braucht einen Ort, der möglichst ordentlich ist. Das ist etwas sehr Banales: wenn man jemanden, den man liebt, zum Beispiel zu sich nach Hause einlädt, dann lässt man nicht den Abfall vor der Haustür stehen, sondern bereitet einen Ort für dieses Treffen vor, einen Raum für den Liebenden und den Geliebten, wie es dieses Zitat von Mahmûd Shabistarî zum Ausdruck bringt:
Geh und kehre sie aus, die Stätte deines Herzens
Bereite sie dem Geliebten als Bleibe und Heim.
Wenn du hinausgehst, wird Er eintreten.
In dir, wenn du erst frei bist vom Selbst,
wird er Seine Schönheit offenbaren.
Man bereitet einen Raum für dieses Treffen.
Der Mystiker weiß, dass dieses Treffen das Kostbarste ist, was es gibt: die direkte Erfahrung Gottes. Darin besteht grundsätzlich der Unterschied zwischen Mystikern und religiösen Personen, zwischen Esoterik und Exoterik. Wie Jâmî sagt: "Warum Berichten aus zweiter Hand lauschen, wenn du den Geliebten selbst sprechen hören kannst?"
Bei der Mystik geht es um direkte Erfahrung, und einem jeden von uns steht diese direkte Erfahrung Gottes zu. Dafür braucht es aber einen Ort, wo diese stattfinden kann. Für den Sufi geschieht dies im Herzen, im Bewusstsein des Herzens.
Wenn man dieser Beziehung nicht im Weg stehen will, müssen als erstes all diese Alltagsgedanken, all dieser Müll, all dieses unaufhörliche Geschwätz und Geplapper, alles, was uns ablenkt, all diese Bilder beiseite geräumt werden. So schafft auf gewisse Weise die Meditation zu Beginn einen Raum, wo man bewusst auf Gott hören und mit Ihm sein kann.
Wir sind alle jederzeit mit Gott, dies ist eine der mystischen Wahrheiten: Es gibt nichts außer Gott. Aber der Pfad der Gnosis, der Pfad der direkten Erfahrung, besteht darin, sich dieser Beziehung bewusst zu werden, so dass sich eine Liebesbeziehung entwickelt, die immer tiefer und tiefer wird. Und das erfordert Kommunikation. Man muss mit Gott sprechen und Ihm auch zuhören und einen Raum schaffen, wo man Gott zuhören und dieser außergewöhnliche Dialog zwischen der Seele und Gott stattfinden kann.
Er spricht nicht oft mit lauter Stimme. Er poltert nicht immer an der Tür. Oft spricht er sehr leise. Er flüstert dir die Geheimnisse deiner Seele zu. Und die Geheimnisse der Liebe. Es ist wunderschön, wenn dir in deinem Herzen all diese Geheimisse erzählt werden und du sie vernimmst. Aber man muss zuhören lernen, und das bedeutet, dass der Verstand still werden muss und man all diese Alltagsgedanken weglegt. Dies ist einer der ersten Schritte in der Meditation. Man schafft einen Raum im Herzen und im Verstand, wo man mit Gott sein kann, wo man lernen kann, Gott zuzuhören. Das ist möglich.
Unsere westliche Kultur misst dem Verstand große Bedeutung zu. Wir leben in einer mentalen Kultur. Man erzieht uns dazu, den Verstand zu entwickeln. Der Verstand ist, was wir wertschätzen. Wenn wir wirklich mit dem mystischen Leben beginnen, dann sehen wir allmählich eine andere Wahrheit. Wir beginnen zu sehen, dass es eine andere Form von Bewusstsein gibt, die nichts mit Denken gemein hat. Das bedeutet nicht, dass man nichts versteht, denn es gibt das Verstehen des Herzens. Dies ist etwas, was im Sufismus entwickelt wird, dieses Verstehen des Herzens. Aber das braucht Empfängnisbereitschaft, das bedingt Zuhören. Dies sind natürlich weibliche Eigenschaften.
Vielleicht sollte ich noch vorausschicken, dass es verschiedene Formen von Meditation gibt. Es gibt eine Form von direkter Meditation, bei der man die Aufmerksamkeit z.B. auf ein Wort richtet oder auf ein Gebet. Oder es gibt auch diese sehr detaillierten buddhistischen Meditationen, bei denen Visualisierungen gemacht werden. Aber im Sufismus geht es wirklich darum, empfänglich zu sein, zuzuhören, einen leeren Raum zu schaffen. Diesbezüglich ist Sufismus gewissen Formen von Zen-Meditation näher; man schafft einfach einen leeren Raum.
Am nächsten kommt dem, soweit mir bekannt, hier im Westen die Meditationspraxis von Teresa von Avila. Man nannte diese damals "Gebet der Stille", und es ging um ein Berührtwerden von Gott. Du schaffst einen Raum, um für Gott empfänglich zu sein, um auf Gott zu warten. Sie musste sehr vorsichtig sein, zu wem sie dies sagte, denn zu jener Zeit schrieb die Kirche vor, dass Gebete gesprochen wurden. Die Idee, dass man Gott tatsächlich erfahren konnte, behagte der Kirche nicht. Aber dies war das Gebet der Stille, das ein Berührtwerden von Gott ist.
Sufismus bedeutet zu lernen, mit Gott eine Beziehung einzugehen, und deshalb lernt man, empfänglich zu sein. Man lernt zu warten, aufmerksam zu sein und zuzuhören. Man lernt, auf eine ganz andere Schwingung zu hören oder einer ganz anderen Sprache zu lauschen, die mit der Schwingung der Seele zu tun hat. Sie ist weiblich, denn die Seele ist immer weiblich vor Gott. Dies ist eines der mystischen Geheimnisse, welches die patriarchale Kultur verdrängt hat. Es geht um einen Zustand von göttlicher Empfängnis.
Rûmî hat das sehr schön beschrieben:
Mach alles in dir ein Ohr, jedes Atom deiner selbst, und du wirst allezeit hören, was die Quelle dir zuflüstert, nur dir und für dich, ohne dass meine oder eines anderen Worte dazu benötigt werden. Du bist -- wir alle sind -- die Geliebten des Geliebten, und in jedem Moment, was immer in deinem Leben gerade passiert, flüstert der Geliebte dir genau das zu, was du zu hören und zu wissen brauchst. Wer kann dieses Wunder je erklären? Lausche, und du wirst es in jedem flüchtigen Moment entdecken. Lausche, und dein ganzes Leben wird eine Unterhaltung in Gedanken und im Handeln sein zwischen dir und Ihm, direkt und ohne Worte, jetzt und immer. (2)
Es ist unglaublich schön -- zuhören zu lernen, so dass man diese stete Unterhaltung mit Gott führen kann, mit dem Geliebten. Du bist immer die Geliebte des Geliebten.
Zu einem späteren Zeitpunkt wird dir dann bewusst, dass dies tatsächlich immer geschieht. Dies ist eine der Wahrheiten, dass zwar dieses innere Zuhören mit der Meditationspraxis beginnt -- in den Momenten, wo du die Tür zumachst und in die innere Stille gehst -- es aber später immer stattfindet, auch wenn die Tür geöffnet bleibt. Es geschieht auch, wenn du die Straße runter gehst. Du musst nicht mehr immer die Tür zumachen, weil du einen Raum in dir drin schaffst, oder du lernst, mit dem Raum in dir, der immer zuhört, immer auf Gott ausgerichtet ist, zu sein.
So wird deine Meditationspraxis gewissermaßen erst eine Gehmeditation und dann eine stete Unterhaltung mit dem, was unsichtbar und unbekannt, die zu jeder Tageszeit stattfinden kann. Dies ist eines jener spirituellen Geheimnisse: Du hörst dann immer zu, bist immer aufmerksam. Man nennt dies "das Ohr des Herzens". Die Sufis reden über das "Auge des Herzens" und "das Ohr des Herzens". Du hörst innerlich immer Gott zu, hörst, was Gott dir zu verstehen gibt, hörst auf seine Stimme.
Man sagt: "Zuerst machst du die Meditation, dann macht die Meditation dich." Es kommt der Moment, wo du vielleicht im Supermarkt an der Kasse anstehst und plötzlich wirst du aus dir selbst rausgenommen, und du bist mit Gott. Oder du sitzt im Bus, und plötzlich bist du irgendwo anders -- du bist zu Füssen deines Geliebten.
Von dem Moment an wirst du Teil der Meditation, und sie ist nicht länger etwas, was du tust, sondern etwas, was mit dir getan wird. Denn eigentlich geht es darum zu lernen, in der Gegenwart Gottes zu sein.
Das kann auch mit dem Gebet geschehen. Doch das wahre Gebet ist ein Gebet der Stille, ein Gebet, das darin besteht, empfänglich zu sein und Gott zuzuhören. Das Gebet der Stille ist eine Art des Zusammenseins mit Gott.
Am Anfang sitzt man also in Stille, dann entwickelt sich die Praxis weiter, und man ist innerlich immer in einem Zustand von Empfangsbereitschaft, von Zuhören, von Aufmerksamkeit, so dass man vernehmen kann, was der Geliebte sagen will, wenn er etwas sagen will. So kann man Teil dieser steten Unterhaltung von Liebendem und Geliebten sein, die den Untergrund des Lebens bildet.
In unseren Leben finden all diese oberflächlichen Beschäftigungen statt, die unsere Kultur so gut beherrscht und die mit dem Ego und dem Verstand zu tun haben. Und dann ist da dieser Unterton, der mit der Seele zu tun hat, mit dem Zweck der Inkarnation der Seele. Es geht darum zu lernen, wie damit gegenwärtig zu sein, wie damit zu atmen, darauf zu hören, damit zu leben und zu lieben.
Ich denke, dies ist zu Beginn einer der wichtigen Aspekte einer Meditationspraxis, der vielleicht nicht so gut bekannt ist. Es geht nicht nur darum, in Stille zu sitzen. Ja, am Anfang lernt man, wie in der Stille zu sein -- das Telefon auszuschalten, im Außen keinen Lärm zu haben -- so dass man innerlich zuhören lernen kann. Dann findet man sich in diesem andern Raum wieder, der sich so sehr von dem Raum des Wachbewusstseins unterscheidet.
Und ich kann nur sagen, damals, als 16-jähriger im Internat, als ich mich hinsetzte und mich unvermittelt in diesem anderen Raum wiederfand, von dessen Existenz ich nichts gewusst hatte, das war einfach wunderbar! Es war eine echte Befreiung. Es war wirklich ein Aufwachen. Dieser Raum durchdrang dann die Außenwelt. Er trug in die Außenwelt eine Note von Magie hinein, eine Note von Schönheit, eine Note von Licht, deren Existenz mir zuvor niemals bewusst gewesen war. Es war dieses Einatmen und Ausatmen, das wie das Gebet ist, wie die Meditation, wie in Gottes Präsenz gegenwärtig zu sein. Das bedeutet es also, zu lernen, in der Stille gegenwärtig zu sein, damit du Gott zuhören kannst, zuerst in der Meditation, dann im Alltag.
Oder auch ganz einfach jeden Tag etwas Zeit zu haben, um sich nach innen zu wenden und dem Geliebten zu sagen: "Möchtest Du mir heute etwas sagen? Gibt es etwas, was ich heute hören sollte? Kann ich Dir heute auf irgendeine Weise behilflich sein?"
Es mag sein, dass man die meiste Zeit keine Antwort bekommt, man sitzt einfach da. Dann gibt es die Momente, wo man aus der Meditation kommt und sich ein Gedanke ins Bewusstsein hineinschleicht. Ich weiß immer, wenn er von anderswoher kommt, weil er keinen Bezug zu irgendeinem anderen Gedanken hat, den ich zuvor dachte, oder es nichts ist, was mich zuvor beschäftigte. Vielleicht ist es einfach nur: "Du solltest dieser Person schreiben", oder "Geh heute da nicht hin", oder "Buche diesen Flug nicht."
Und so kann man sich jeden Tag einfach etwas Zeit nehmen, um mit dem Geliebten zu sprechen. Denn ja, es kommt die Zeit, wenn man sogar im Supermarkt oder wenn der Fernseher eingeschaltet ist, die Stimme Gottes vernehmen kann. Aber das geschieht erst viel später. Am Anfang muss man sich Zeit nehmen und einen Raum schaffen, wo man seine ganze Aufmerksamkeit darauf ausgerichtet, empfänglich zu sein, um Ihn zu fragen: "Was möchtest Du heute von mir, Geliebter?" Man kann das zu Beginn der Meditation machen, und dann bekommt man vielleicht eine Antwort, vielleicht erhält man Hilfe, vielleicht werden die Gebete erhört, und jemand schaut liebevoll auf uns und hilft uns ein wenig.
Es ist natürlich auch ganz praktisch, einfach ein wenig Zeit zu haben, um mit dem Boss alleine zu sein. Dies ist nicht hoch esoterisch. Ich nehme an, einige Leute tun es, indem sie zur Kirche gehen, weil es Musik hat oder es ein stiller Raum ist. Aber ich bin lieber immer in der Kirche. Ich trage diesen Raum lieber mit mir, wo immer ich mich gerade aufhalte. Und ich möchte auch jeden Tag Zeit haben. So ist man dann eines Tages immer bewusst mit Gott. Aber am Anfang muss man sich etwas Zeit aussparen. "Zeit nur für uns." Denn es ist eine echte Beziehung.
2008 hielt ich einen Vortrag gemeinsam mit Father Thomas Keating (3), der, wie einigen unter euch sicher bekannt ist, mitgeholfen hat, die Praxis der Kontemplation ins Christentum zurück zu bringen. Er ist jetzt über 80. Er sagt, er brauche mindestens zwei Stunden pro Tag, um ganz einfach nur mit Gott alleine zu sein, um dieses innere Gebet zu machen.
Klar, die Leute haben volle Leben. Die meisten Leute haben diese Zeit nicht. Aber die meisten unter uns können zwanzig Minuten finden, um den Verstand abzuschalten, um all diese Gedanken zur Seite zu legen. Sicher, es braucht eine Weile, einige Jahre vielleicht, um dieses Geplapper -- der Verstand, der immer von einer Sache zur nächsten geht -- zur Seite zu schieben. Ich glaube, dies ist der erste Schritt in der Meditation, einfach eine Zeit, um mit Gott zu sein.
Nun ist dies aber nur ein Aspekt der Meditation. Ich sollte hinzufügen, dass die Meditation, die wir praktizieren, "Herzmeditation" oder "Dhyana Meditation" genannt wird und von Indien hierher gelangte. Sufismus passt sich der Zeit, dem Ort und den Menschen an, und in Indien übernahm unsere spezifische Linie diese Herzmeditation, diese Art der Arbeit mit dem Herz chakra in der Meditation und mit dem Zustand von Dhyana.
Wer sich mit Yoga beschäftigt, der weiß, dass es acht Stufen von Yoga gibt. Die siebte Stufe ist Dhyana und die achte Stufe ist Samadi, der überbewusste Zustand, vollumfänglich bewusstes Erwachen auf der Ebene des Selbst. Die ersteren sind richtiges Benehmen, richtige Haltung, richtige Körperhaltung, die z.B. im Hatha Yoga praktiziert werden.
So übernahm diese Linie auf ihrer Reise vom Mittleren Osten nach Indien diese Herzmeditation, bei der man sich ganz im Herz versenkt. Es ist sehr einfach. Man geht einfach ins Herz hinein, in die Liebe im Herzen, denn die Liebe hat eine unglaubliche Kraft. Man übergibt alles dem Herzen. Es ist eine Praxis der Hingabe. Im Sufismus dreht sich eigentlich alles um Hingabe. Natürlich gibt man sich selbst hin. Man gibt das Ego hin. Aber in der Meditation gibt man den Verstand dem Herzen hin; man legt den Verstand ins Herz.
Dann kommt der Moment, wo das Herz den Verstand aufnimmt. Die Sufis haben diesen Ausdruck: "Der Verstand wird ins Herz gehämmert." In diesem Moment ist der Verstand einfach weg. Am Anfang weiß man gar nicht, dass dies geschieht, denn man hat keinen Verstand. Aber man macht, genau genommen, zum ersten Mal in dieser Inkarnation die Erfahrung, dass der Verstand nicht funktioniert. Denn auch wenn man schläft, träumt der Verstand und ist aktiv. Aber in diesem Moment von Dhyana ist der Verstand weg. Wohin er gegangen ist, bleibt offen. Manche sagen, dass der individuelle Verstand durch den universellen Verstand aufgenommen wird. Man weiß einzig, dass man es nicht weiß. Anfänglich weiß man nicht einmal, dass man es nicht weiß. Der Verstand ist einfach weg.
Später berauscht dich das völlig -- einfach für einen Moment nicht da zu sein. Dann wird es natürlich immer tiefer und tiefer. Du kannst eine Stunde weggehen, du kannst zwei Stunden weggehen, und du bist einfach weg. Es ist das erste Mal in diesem Leben, dass du völlig frei von dieser äußeren Welt der Formen und Bilder bist, und du wirst anderswo aufgenommen.
Im Sufismus geht es um Auflösung. Du gehst auf in der Liebe. Die Liebe zieht dich in sich selbst hinein.
Im ersten Vortrag(4), den ich gehalten habe, habe ich über diesen Ort, "wo die beiden Ozeane aufeinander treffen" gesprochen. Davon, was es esoterisch bedeutet, an diesem Ort zu sein, wo die beiden Ozeane aufeinander treffen. Ich habe davon gesprochen, dass es den Ozean unserer menschlichen Erfahrung gibt -- all unsere Schwierigkeiten und Gefühle und das Glück, all das, was es für uns bedeutet, ein Mensch zu sein. Und dann gibt es den Ozean des göttlichen Bewusstseins, den Ozean des Göttlichen.
Der erste Schritt ist zu lernen, wie an diesem Ort zu sein, wo die beiden Ozeane aufeinander treffen, so dass man den göttlichen Ozean erfahren kann, diesen anderen Ozean, der einem wahrlich in den Ozean der Einheit führt, zurück in die Liebe, in diese Zustände von Aufgehen in Gott, wie immer man es benennen mag.
In der Geschichte im Qur'an ist es Moses, der den Ort, wo die beiden Ozeane aufeinander treffen, finden muss, um Khidr, die Gestalt der mystischen Erfahrung, zu treffen. Ich glaube, dass die Meditation ein Weg ist, um an diesem Ort, wo die beiden Ozeane aufeinander treffen, zu sein.
Denn wenn du beginnst, tiefer in die Meditation zu gehen, wird dir bewusst, dass du von Gott zu Gott gebracht wird. Du tust nichts. Dies ist nicht ein Pfad der Bemühung. Denn wie kann es bei göttlichen Dingen Bemühung geben? Du weißt nicht, wie zurück zu Gott zu gelangen. Du weißt nicht, wie du in der Liebe verloren gehen kannst. Du weißt nicht, wie du im Ozean göttlicher Einheit aufgelöst werden kannst. Aber du kannst an diesem Ort sein, wo der göttlichen Ozean auf die bewusste Existenz prallt und dich dann wie die Flut mitnimmt, dich tiefer und tiefer in diesen anderen Ozean nimmt, in diesen Ozean des Göttlichen, in diese außergewöhnliche Realität, die jenseits des Verstandes und all seiner Gedanken existiert. Man kann ihn den Ozean der Liebe nennen.
Für mich wird in diesem Moment das mystische Leben wahrhaftig. Alle die Praxis, all die Anstrengungen -- man ist vielleicht fünf, sechs Jahre einfach gesessen und nichts ist passiert -- und dann ist da diese Süße im Herzen, wenn du aus der Meditation rauskommst oder ein Moment von Glückseligkeit. Was genau hat dich berührt? Was genau hat dich mitgenommen?
Dann wird man allmählich von diesem Liebesstrom mitgetragen, und es gibt diese Ströme von Liebe. Denn es ist dieses Etwas, das dich zu Gott zurückbringt, nicht deine Anstrengung, nicht dein "Ich sollte dieses oder jenes tun", weil es dabei um dich geht. Aber dich an einen Ort begeben, wo du anfänglich für die Stimme Gottes empfänglich bist, um dann tiefer zu gehen und dich den Gezeiten dieses Ozeans hinzugeben, der aus dem Jenseits kommt und Seelen zu Gott zurückträgt.
Bei unserer Herzmeditation beginnt das mit den Zuständen von Dhyana, wo man einfach verloren ist. Man kommt zurück, und man weiß nicht, wo man gewesen ist. Man war einfach weg. Das ist denn auch die erste Kostprobe von diesem unglaublichen Geheimnis, was es bedeutet, ein Mensch zu sein; denn die meiste Zeit leben wir nur an der Oberfläche.
Ich denke oft, dass diese Welt eine Metapher ist oder ein Abbild dessen, was Wahrhaftig ist. In der physischen Welt ist die Humusschicht nur eine sehr dünne, oberflächliche Schicht, auf der wir leben. Wenn sich uns allmählich das mystische Bewusstsein erschließt, wird uns bewusst, dass wir die meiste Zeit nur ganz an der Oberfläche dieses göttlichen Universums leben, dieses Bewusstseins. Dann wird man nach und nach tiefer hingenommen.
Und so wird die Meditation zur lebendigen Gegenwart. Du wirst hineingezogen. Sie ergreift dich. Natürlich nicht jeden Tag. Ich erinnere mich, wie es für mich war, als ich anfangs zwanzig war, als dies für mich zur lebendigen Gegenwart wurde. Ich nahm mir eine Stunde Zeit pro Tag und machte die Türe des Zimmers zu und legte mich hin und ging einfach weg und kam wieder zurück.
Man beginnt, anderen Sauerstoff zu atmen; man beginnt, eine andere Luft zu atmen. Deshalb hat es mich so völlig süchtig gemacht. Wie ich bereits gesagt habe, meditiere ich seit mehr als vierzig Jahren zwei oder drei Stunden pro Tag, und es macht völlig süchtig, weil man irgendwo hingeht und eine andere Luft atmet. Man atmet diese reine Liebe. Man atmet diese Präsenz. Dort reckt und streckt man sich, man beginnt sich zu entspannen, denn diese Welt hier ist so verkrampft. Hier muss man sich benehmen, die richtigen Gedanken haben, und die Leute stellen Fragen, und man muss sich erklären. Man muss arbeiten.
Dort entspannst du dich. Du streifst diese Kleider ab. Sie beginnen, von dir abzufallen, diese Gedankenformen, diese Kleider, diese Identitäten und alles, was du all diese Zeit mit dir rumgetragen hast. Du beginnst, dich zu entspannen, zu dehnen und diese andere Luft zu atmen. Dann, allmählich, wenn du diese Meditation über viele Jahre praktizierst, beginnst du aufzuwachen.
Es heißt, dass es auf diesem Pfad sieben Stufen von Dhyana und dann sieben Stufen von Samadi gibt. Samadi ist der überbewusste Zustand. Die letzte Stufe von Dhyana ist die erste Stufe von Samadi, bei der man allmählich in der Meditation ein Gefühl von Sein hat. Langsam fühlst du: "Oh, ich bin", oder "Etwas ist", oder "Es ist." Ein Seinszustand. Du bist einfach. Du weißt nicht, was du bist, aber da ist ein Gefühl von Sein, und es fühlt sich echt gut an, weil es nicht in Beziehung zu etwas steht.
Während wir aufwachsen, müssen wir so sein in Beziehung zu unseren Eltern, und so in Beziehung zu unseren Lehrern, dann so in Beziehung zu unseren Vorgesetzten. Und das kostet immer so viel Anstrengung. Ich denke immer, dass es so viel Anstrengung kostet, ein Mensch zu sein. Aber dort ist man einfach. "Oh, ich bin einfach. Ist das nicht schön?" Du fühlst es einfach. Es geht durch deinen Körper. Es fühlt sich einfach so gut an.
Dann, nach und nach, wenn die Meditation so richtig in Schwung kommt, wenn man allmählich auf einer anderen Realitätsebene bewusst wird, offenbart sich dieses Wunder. Ich nenne es eine andere Realitätsebene, doch das ist nur Sprache. Tatsächlich ist es viel elementarer. Es ist viel realer. Es ist viel eher so wie die Dinge sind. Man kann es Einheit nennen, wenn man will, man kann es Liebe nennen. Es ist alles da. Nur unser Verstand hindert uns daran, es zu erfahren. Du beginnst, in der Meditation aufzuwachen. Die Wolken beginnen sich zu lichten. Dies sind alles Metaphern. Dies sind alles nur Bilder für diese immer tiefer gehende mystische Erfahrung davon, wer du bist, was du bist.
Es ist sehr einfach. Ich mag diese Verszeilen von T.S. Eliot ganz besonders. Er spricht über einen "Zustand völliger Einfachheit. Er kostet nicht mehr als alles."(5) Dies ist, was du in der Meditation entdeckst. Du bist gar nicht diese komplizierte Person. Du bist nur ein Ort der Einheit, ein Ort der Liebe.
Es ist spannend, dass das, was man in der Meditation erfährt, allmählich zurückkommt und im Alltag gespiegelt wird. Man fühlt dann im Wachbewusstsein - am Anfang erahnt man es nur in der Meditation --, dass da dieses andere Bewusstsein ist. Es ist, als ob dieses andere Bewusstsein in dir erwacht ist. Durch die Meditation hat man ihm Raum gegeben, sich damit vertraut gemacht, gelernt, damit zu sein. Es gefällt ihm, in dieser Welt zu leben; sein Platz ist nicht einzig in der Meditation. Du beginnst, die Einheit zu sehen, die dich umgibt, die Einfachheit in allen Dingen und diese Seins qualität, die zu allen und allem gehört. Es beginnt, in diese Welt hineinfließen. Wie bereits gesagt, die beiden Ozeane treffen aufeinander, und das göttliche Bewusstsein fließt in dieses Bewusstsein.
Es gibt die klassischen Zen-Bilder des Pfades, die zehn Ochsenbilder, welche die Stationen der Reise beschreiben. Eine Station wird durch einen leeren Kreis beschrieben. Es ist einfach ein Kreis. Alles ist vorhanden -- weil in dir drin alles vorhanden ist -- und die Meditation gibt dir Zugang dazu. Was willst du mehr?
Man kann sagen, es ist eine Art des Zusammenseins mit Gott. Und manchmal fühlst du eine göttliche Präsenz, und manchmal fühlst du einfach Liebe. Und manchmal meldet sich natürlich der Verstand zurück. Er sagt: "Oh, du glaubst, du kannst meditieren." Und er meldet sich mit allen möglichen Gedanken zurück. Aber wenn du erst einmal diese Schwelle überschritten hast, wenn Dhyana dich erst einmal aufzunehmen beginnt und dieser andere Strom dich mitträgt, kannst du nicht mehr zurück. Denn da ist diese viel größere Kraft, die dich in diese andere Realität hinein nimmt, welche dich umgibt, welche durch dich atmet.
Dann geht die Reise natürlich weiter. Jenseits von all dem, was wir das Selbst nennen, jenseits dieses Zentrums göttlichen Bewusstseins, in das man hineingenommen wird, gibt es eine andere Realität, in welche man ebenfalls hineingezogen wird. Ich habe dies bei Thomas Merton, einem christlichen Mystiker, der auch eine Verbindung zum Sufismus hatte, auf wunderschöne Weise beschrieben gefunden:
Wüste und Leere, das Unerschaffene ist Ödland und Nichts für das Geschöpf. Nicht einmal Sand, nicht einmal Stein, nicht einmal Dunkelheit und Nacht. Eine brennende Wildernis wäre doch wenigstens etwas. Sie brennt und ist wild. Aber das Unerschaffene ist kein Etwas. Ödland, Nichts, vollständige Armut des Schöpfers. Und doch entspringt dieser Armut alles. Das Ödland ist unerschöpflicher, unendlicher Nullpunkt. Alles kommt aus diesem öden Nichts. Alles will dorthin zurückkehren und kann es doch nicht, denn wer kann nirgendwohin zurückkehren? Aber für einen jeden von uns gibt es ein Nirgendwo inmitten von Bewegung, ein Punkt von Nichts inmitten von Sein. Jener Punkt, der sich jedem Vergleich entzieht und nicht durch Einsicht entdeckt werden kann. Wenn du ihn suchst, findest du ihn nicht. Wenn du aufhörst zu suchen, so ist er da. Aber du darfst dich ihm nicht zuwenden. Nimmst du dich als Suchenden war, so bist du auch schon verloren. Aber wenn du dich damit begnügst, verloren zu sein, so wirst du gefunden, ohne es zu wissen, eben weil du verloren gingst, denn endlich bist du Nirgendwo. (6)
Dies ist die unerschaffene Welt, die hinter der Schöpfung liegt. Wenn man wirklich die Grenzen des Bewusstseins erforschen will, dann sehe ich keine andere Möglichkeit als durch Meditation. Ich weiß nicht, wie dies sonst möglich wäre, denn man benötigt ein Vehikel, das einem in diese andere Realität hineinbringt.
Ja, es gibt Menschen, die in der Einheit erwachen, ganz einfach darin erwachen. Sie fühlen die Einheit in ihrem Innern, die Liebe, die in ihrem Innern ist, und sie sehen die Einheit in allem um sich herum. Sie fühlen dieses Zentrum ihrer selbst. Ich denke, wenn man durch Meditation dorthin gelangt, dann passt sich das Bewusstsein schneller an.
Das Bewusstsein muss geschult werden, damit es in der Einheit funktionieren kann. Wenn man all diese Jahre meditiert, wird man während der Meditation allmählich von immer feinerem Licht durchdrungen. Dies verändert dein Bewusstsein, es verändert deine Art zu denken. Tatsächlich verändert es die Art und Weise, wie dein Gehirn funktioniert, und es ist ein schrittweiser Vorgang. Und zwar ein ziemlich systematischer, denn du kannst nicht plötzlich in einem Ozean von Licht erwachen. Du würdest erblinden.
Durch die langjährige Meditationspraxis vermag das Licht dich mehr und mehr zu durchdringen. Sogar deine Hirnzellen arbeiten anders. Ich denke, dies ist äußerst hilfreich, wenn man diesen inneren Zustand realisieren will und dann über diesen Zustand hinaus gehen will, in die unerschaffene Welt hinein, in diese unermessliche Leere, die allem, was existiert, zugrunde liegt. Ich weiß nicht, wie das ohne Meditationspraxis gelingen kann, denn wenn man dies alles plötzlich in vollem Bewusstsein sähe, würde man wahrscheinlich augenblicklich verrückt werden. Die unerschaffene Welt bewusst vor Augen zu haben, während man im Körper gegenwärtig ist, wäre ganz einfach ein unheimlicher Schock.
Indem du all die Jahre meditierst, schaffst du ein Vehikel, ein Bewusstsein, das diese Realität erfahren kann, das stark genug ist. Du wirst damit vertraut. Du gewöhnst dich daran, in einer anderen Realität unterwegs zu sein. Du gewöhnst dich an diese Bewusstseinsgrenzen, und deshalb finde ich es so aufregend, ein Mystiker zu sein. Und diese Bewusstseinsgrenzen sind sehr, sehr real.
Jenseits der geschaffenen Welt, sogar jenseits der Welt des Selbst, sogar jenseits der Einheit der Liebe, befindet sich, was man traditionell die unerschaffene Welt nennt oder die Welt der Nicht-Existenz oder die Welt des Nichtseins. Ich habe mich damit sicher mehr als zwanzig Jahre intensiv beschäftigt, seit ich diese Welt erstmals zu erfahren begann und mir auffiel, dass man sich anfänglich auf gewisse Weise bewusst ist, dass man nicht existiert.
Also eigentlich ist für mich nichts belebender, als das Bewusstsein, dass ich nicht existiere. Vielleicht habe ich ein merkwürdiges Bewusstsein; ich finde es nämlich eine große Last zu existieren. Man muss sich andauernd mit Leuten in Beziehung setzen, und sie setzen sich mit dir in Beziehung. Man muss Gedanken haben. Man muss eine Daseinsberechtigung haben. Und wenn man sich wirklich auf dem spirituellen Pfad befindet, muss man eine spirituelle Daseinsberechtigung haben. Dort muss man überhaupt nicht existieren.
Dies ist nicht eine Negierung. Auf gewisse Weise ist es so viel lebendiger, so viel dynamischer und gewaltiger. Da ist dieser unendliche Raum, und es gibt dort nichts. Am Anfang ist da dieses schwache Bewusstsein, und dir wird klar, dass du nicht existierst. Dann bist du einfach weg. Dann kommst du am Ende der Meditation zurück, und du weißt, dass du irgendwo gewesen bist, wo du nicht existierst. Du bringst diese Erinnerung zurück. Du hast in der Leere verweilt. Dies macht mit deinem Verstand etwas ziemlich Seltsames und ziemlich Wunderbares und ein wenig Verrücktes.
Die unerschaffene Welt ist sehr real. Deshalb gefällt mir die Beschreibung von Thomas Merton so gut, da ist dieses "Nirgendwo", dieses "Niemandsland". Sie ist tatsächlich sehr real, viel realer, als irgend Gedanken oder irgend Bilder es sind. Ich nehme an, es muss entweder mit dunkler Energie oder mit dunkler Materie zu tun haben. Es gibt davon viel mehr als von der Existenz. Es gibt sehr viel mehr Nicht-Existenz als Existenz, so wie es von der dunklen Energie oder der dunklen Materie, vor allem von der dunklen Energie, mehr gibt als von allem anderen. Du kannst Teil davon werden.
Ich erinnere mich an eine Erfahrung, die ich hatte. Es fühlte sich an, als ob ich den Planeten verlasse, aber der Planet war mein eigenes Ego. Ich habe es tatsächlich verlassen. Du ziehst all diese Kleider aus und lässt sie einfach fallen. Du gehst in diesen Raum, wie der Raum zwischen den Sternen. Es gibt da so viel mehr Freiheit. Man könnte es kosmisches Bewusstsein nennen. Es spielt keine Rolle, wie man es nennt. Du kannst in diese Leere hineingehen, in diese unermessliche Weite, und in dieser Erfahrung gibt es kein Du mehr, das eine Erfahrung haben kann. Ich sollte erwähnen, dass ein Teil von dir zurückbleibt. Ja, du bist ganz frei.
Ich erinnere mich, dass ich einmal aus der Meditation zurück kam und mir zusah, wie ich in dieses Ego zurückkam. Plötzlich hatte ich diese Ängste und Sorgen wieder -- dieser kleine Rucksack voller Ängste und Sorgen -- und ich hatte mich wieder über dieses zu sorgen und sorgte mich über jenes und machte mir wieder Gedanken über sonst etwas. Und ich sage mir: "Okay."
Es gehört zur Sufi Praxis, dass man die Fähigkeit hat, zurückzukommen. Oder besser gesagt, ein Teil der Schulung ist es, zu lernen, jederzeit zurückkommen zu können. Manchmal musst du dich zwingen zurückzukommen, denn wenn du erst einmal in jene Welt gehst, dann ist diese Welt ein merkwürdiger Ort. In Platons Höhlengleichnis ist da der Mann, der die Höhle verlassen hat. Im Innern der Höhle sind alle angekettet, und sie wetten auf Schatten; und das ist, was in dieser Welt geschieht. Dann gehst du hinaus, und da draußen ist diese ganze Welt voller Sonnenlicht, und sie ist sehr, sehr schön. Es ist wahrhaftiges Sonnenlicht, das Sonnenlicht des göttlichen Bewusstseins. Es ist unglaublich schön. Dann kommst du in die Höhle zurück, und du siehst nichts, weil deine Augen ans Sonnenlicht gewöhnt sind. Du schaust dir all diese Menschen an, und sie wetten auf Schatten an der Wand. Du sagst: "Hey, da draußen ist eine ganze Welt!" Aber es interessiert sie keinen Deut. Dann wird dir klar, dass du aufpassen musst, weil du sonst denkst, dass du vollkommen verrückt bist. Aber es muss dir möglich sein, zurückzukommen. Auch wenn dir diese Welt ein wenig seltsam erscheint, wenn du zurückkommst.
Ich kann von mir selber erzählen, ich habe zwei oder drei Stunden pro Tag, wo ich dorthin gehen kann. Die restliche Zeit, nun ja, mein Beruf ist etwas merkwürdig, denn ich bin ein spiritueller Lehrer. Und ich kann sagen, das ist echt der sonderbarste Beruf, der meines Erachtens in der westlichen Welt existiert. Er ist wirklich sehr eigenartig, aber ich will das jetzt nicht näher ausführen. Aber dann komme ich zurück, und ich muss Emails beantworten, Vorträge vorbereiten, Leute treffen -- all das, was wir das Leben nennen, das nur an dieser sehr dünnen Oberfläche stattfindet; und du weisst, da gibt es diese ganze andere Wirklichkeit.
Wenn manchmal Leute zu mir kommen und ich sehe, dass etwas in ihnen sie kennt oder erfahren möchte, diese ganz andere Wirklichkeit, die sie umgibt, wie die Luft, die sie atmen -- es ist wie bei diesen Fischen, die sich auf die Suche nach Wasser begeben - was kann ich da sagen? Sitze hier zehn Jahre lang?
Ich glaube, es ist wichtig zu wissen, dass man sich am Anfang anstrengen muss. Deshalb haben mich die Stationen des Gebetes der Hl. Teresa von Avila so angesprochen, als ich sie gelesen habe, weil dies meiner Erfahrung im Sufismus entspricht. Sie braucht das Bild des Gärtners, der im Garten arbeitet und den Garten giesst: zuerst musst du das Wasser beim Brunnen holen und den Garten giessen, die Anstrengung, die es in den ersten Jahren bedeutet, dich zum Meditieren hinzusetzen und den Verstand zu beruhigen. Und einfach zu lernen, diese Praxis zu machen, sich zu leeren und in einem Raum mit Gott zu sein.
In der vierten Station des Gebets regnet es dann einfach. So wird der Garten gegossen: es regnet einfach. Du machst keine Anstrengungen mehr, denn du bist an diesem Ort, wo die beiden Ozeane aufeinander treffen. Dieser göttliche Strom, diese andere Energiequelle kommt einfach und nimmt dich mit, so wie es ihr beliebt. Manchmal sitzt du da, und nichts passiert. Du sitzt eine halbe Stunde und kontrollierst deinen Verstand ein wenig. Bei anderen Gelegenheiten wirst du einfach mitgenommen, und du kannst auf viele andere Realitätsebenen gebracht werden. Allmählich beginnst du zu erkunden, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, was es wirklich bedeutet, zu leben. Der Menschheit ist dieses Geheimnis gegeben worden. Wenn man die Upanischaden liest, wird einem klar, dass die Menschen schon sehr, sehr lange meditieren.
Ich unterrichte übrigens nie Meditation und zwar, weil ich etwas festgestellt habe. Wir haben zwar diese Meditationspraxis, und ich erkläre sie ganz kurz und schon können wir eine halbe Stunde gemeinsam sitzen. Aber ich habe festgestellt, dass letztendlich alle ihre eigene Form finden. Es gibt einen Ausspruch im Qur'an: "Jedes Wesen ruft an den Herrn und lobpreiset Ihn auf seine ihm eigene Weise." Ich habe festgestellt, dass wir alle auf unsere eigene Weise mit Gott zusammen sind oder den Verstand ruhig werden lassen. So brauchen zum Beispiel im Sufismus einige zu Beginn der Meditation den Dhikr, um ruhig zu werden. Andere brauchen das Bild des Lehrers. Andere wiederum gehen einfach in der Liebe auf und nichts bleibt zurück.
Es gibt für alles Handbücher. Handbücher darüber, wie man seinen Partner lieben soll. Aber man kann nicht nach einem Handbuch lieben. Und in der Herzmeditation öffnest du dein Herz für Gott und sagst: "Zeig mir, wie Du mit mir sein willst. Ja, ich werde hier sitzen. Ich werde still sein. Ich werde meine Gedanken zur Seite schieben und einfach in mein Herz hineingehen." Denn im Sufismus ist es im Herzen, wo sich der Liebende und der Geliebte begegnen. Aber: "Du nimmst mich mit", denn letztendlich wird man mitgenommen. Genauso wie du von Gott zu Gott gebracht wirst, wirst du in der Meditation mitgenommen. Du gehst auf darin auf. Du bist in diesem anderen Strom. Wahrscheinlich muss man sich anfänglich einzig diesem anderen Strom hingeben. Und das kann Angst machen - das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Ich erinnere mich an die ersten ein oder zwei Jahre, als ich anfing, in Dhyana zu gehen. Am Anfang hatte der Verstand Angst, weil der Verstand gewohnt ist, zu existieren. Und der Verstand gibt nicht gerne auf. Er hat eigene Kontrollmuster, und er hatte Angst. Dann verstand er allmählich, dass er am Ende wieder zurückkommen würde, dass er nicht ganz weggehen würde. Und du nicht völlig verrückt werden. Dann sagt er sich: "Okay" und ergibt sich.
Auf dem Sufi Pfad geht es um Ergebung. Du ergibst dich der Liebe. Du ergibst dich Gott. In der Meditation gibst du ich selbst auf. Du gibst dein Bewusstsein auf. Du gibst das Kostbarste auf, das du hast, dein eigenes Bewusstsein. Du übergibst es dem Herzen. Du übergibst der Liebe. Du übergibst es Gott. Dann nimmt es dich. Es nimmt dich zuerst in die Einheit im Innern des Herzens, in dieses Bewusstsein reinen Seins -- das, was du bist, bevor du bist. Dann nimmt es dich weiter, in die unerschaffene Welt, in die Dunkelheit, in welcher du dich ganz verlierst und die dich ganz in sich aufnimmt. Und dort geht die Reise wohl weiter. Es gibt Realitätsebenen jenseits davon und Realitätsebenen darüber hinaus. Meditation ist ganz einfach eine Art, mit Gott zu sein, so dass Er mit dir sein kann, so dass Er dir seine Geheimnisse zeigen kann.
Darum geht es im Sufismus: offen zu sein, damit die Geheimnisse Gottes, was auch immer sie sein mögen, uns gezeigt werden können. Wir nennen Ihn den Geliebten, weil es um Liebe geht. Es ist sehr vertraut und doch auch völlig anders. Und es ist eigentlich unser Geburtsrecht. Es gehört uns. Diejenigen, die sich zur Mystik hingezogen fühlen, sind jene, die das Drängen verspüren, dieses Geburtsrecht zurückzufordern, dieses Erbe, das alles umfasst, was das menschliche Bewusstsein zu erfahren imstande ist. Ich glaube nicht, dass es in dieser Welt etwas Lohnenswerteres zu tun gibt, es sei denn, man fühlt sich zu einem Pfad des Dienens hingezogen, davon, sich einfach in den Dienst anderer Menschen zu stellen. Sich diesen unendlichen, inneren Welten zu öffnen, diesen anderen Realitäten, die auch hier gegenwärtig sind -- sie sind nicht anderswo. Man braucht nur einen Weg, um dorthin zu gelangen. Man muss eine kleine Öffnung im Herzen machen, um an diesem Ort zu sein, wo die beiden Ozeane aufeinander treffen, so dass dieser andere Ozean dich mittragen und wieder zurückbringen und mittragen und wieder zurückbringen kann.
Nun erkläre ich für jene, die diese noch nicht kennen, die Meditation, die wir machen. Aber, wie ich gesagt habe, ihr alle seid auf eure Weise mit Gott in der Stille.
Jede Meditationspraxis zeigt einen Weg auf, den Verstand zu beruhigen, und bei dieser Praxis brauchen wir dazu die Liebe. Du gehst einfach in dein Herz hinein, in die Gefühlseigenschaft deines Herzens, dort, wo die Liebe gegenwärtig ist. Du liebst irgendetwas. Es kann dein Partner sein. Es kann deine Katze sein. Es kann Gott sein. Es spielt keine Rolle. Wenn du an diesen Ort der Liebe gehst, dann begibst du dich einfach ganz in diese Liebe. Du begibst dich ganz in dein Herz. Wenn dann die Gedanken kommen, und das machen sie, dann tust du sie einfach wieder in die Liebe zurück. Du tust die Gedanken in die Liebe. Du ertränkst den Verstand im Herzen. Du ertränkst den Verstand in der Liebe. Wenn Gedanken kommen, tust du sie einfach wieder ins Herz. Du versuchst nicht, sie zu anzuhalten. Du tust sie einfach wieder ins Herz. Nun machen wir das eine halbe Stunde lang.
Ende des Vortrags
Fussnoten
(1) Die Karawane der Derwische, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1996, S.65.
(2) Andrew Harvey, Light upon Light: Inspirations from Rûmî, S. 99, unautorisierte Übersetzung.
(3) Online Video: Oneness and the Heart of the World, Llewellyn Vaughan-Lee and Father Keating, Mai 2008.
(4) An Introduction to Sufism,
(5) T.S. Eliot, Little Gidding, Nr. 4 of Four Quartets, unautorisierte Übersetzung.
(6) Thomas Merton, 84, The Collected Poems, 1977, unautorisierte Übersetzung.