Übersetzung des englischen Artikels Adab - Sufi Etiquette in the Outer and Inner Worlds
Anstand ist ein Kennzeichen derer, welche Gott liebt.
– Hadith
Sufismus ist guter Charakter. Wer den besseren Charakter hat, ist der bessere Sufi.
– 'Ali ibn Abî Tâlib zugeschrieben, dem vierten Kalifen des Islam(1)
ÄUSSERES ADAB
Adab ist ein Verhaltenskodex, der für den Sufismus zentral ist, eine Weise, den Sufi-Pfad mit der richtigen Haltung und wahren Höflichkeit zu gehen. Auf tiefster Ebene ist adab die Haltung der Seele Gott gegenüber, die Weise, wie sich die Seele vor ihrem Herrn mit äußerstem Respekt verneigt und dann diesen Respekt in der äußeren und inneren Welt lebt. Es ist eine Weise, in seinen Handlungen und seinem Verhalten mit Gott zu sein. Mit den Worten Hujwiri’s: "Auf dem Weg zu Gott muss man sich vor Respektlosigkeit in seinem privaten wie auch öffentlichen Verhalten hüten."(2) Der Wanderer auf dem Sufi-Pfad bemüht sich, diesen inneren Respekt in den Alltag zu bringen, in seinen Umgang mit anderen, mit sich selbst und mit Gott.
Im frühen Sufismus stand adab in Verbindung mit Sufi-Ritterlichkeit und den futuwwa-Anweisungen, die sich aus den frühen mystischen Lehren des Islam entwickelten. Futuwwa ist die Weise von fatâ, was im Arabischen wörtlich "tapferer junger Mann" heißt. Dem Islam nach und dem Gebrauch des Wortes im Heiligen Koran erhielt fatâ die Bedeutung des vorbildlichen edlen und vollkommenen Mannes, dessen Gastfreundschaft und Großzügigkeit sich derart ausweitet, bis nichts mehr für ihn selbst übrig bleibt; ein Mann also, der bereit ist, alles, auch sein Leben, für das Wohlergehen seiner Freunde zu geben. Gemäß der Sufis ist futuwwa ein Kodex ehrenvollen Verhaltens, das dem Beispiel der Propheten, Heiligen, Weisen und engsten Freunde und Liebenden Gottes folgt.(3)
Diese Regeln des Anstands, wie sie von den frühen Sufis dargelegt worden sind, betonen ein Verhalten, das den inneren Adel des Pfades verkörpert. Es gibt frühe Sufi-Texte, die diese Lehren beschreiben und einer davon ist Der Weg des Sufi-Rittertums zusammengestellt von Abul-Husayn îbn Sam'un, einem Sufi aus dem 11. Jahrhundert:
"Futuwwa heißt, sich wenig zu widersetzen und zu streiten, redlich zu sein, eigene Irrtümer zu vermeiden und nicht die Irrtümer der anderen zu kritisieren, die eigene Person zu mäßigen, liebenswürdig zu alt und jung zu sein, gute Taten zu tun, guten Rat zu erteilen und Rat anzunehmen; seine Freunde zu lieben und Nachsicht mit seinen Feinden zu üben. Dies sind die sichtbaren Aspekte des Pfades, über die Bescheid zu wissen genügt, bis wir fähig sind, über die Wahrheiten von futuwwa zu hören und zu sprechen."(4)
Diese Eigenschaften hervorragenden Charakters und Verhaltens spiegeln solch eine innere Reinheit wider, dass es keinen Unterschied zwischen der inneren Haltung und dem Handeln im Außen gibt. Der Sufi tut nicht im Privaten etwas, wofür er sich in der Öffentlichkeit schämen würde. Statt Fehler bei anderen zu suchen, forscht er nach den eigenen Fehlern. Und wenn Schwierigkeiten und Leid kommen, akzeptiert er das und beklagt sich nicht. Ein gutes Wesen und eine positive Ausrichtung zu haben, was immer auch geschieht, ist eine zentrale Qualität von adab.
Eine andere wichtige Sufi-Eigenschaft ist >îthâr, was bedeutet, andere sich selbst vorzuziehen. Sie wird als das höchste Zeichen von Sufi-Ritterlichkeit betrachtet. Bei Sufi-Treffen kommt sie zum Ausdruck, indem die Derwische eher in der hintersten Reise sitzen statt in der ersten und auch keine Plätze reservieren. Das heißt auch, andere nicht zu verurteilen und sogar die Handlungen anderer zu entschuldigen, auch wenn sie falsch zu sein scheinen. Die Anhänger des "Pfades des Tadels", die Malâmatîs von Nishapur, schufen die Regel: "Respektiere die anderen, betrachte die anderen mit Wohlwollen, entschuldige die Vergehen der anderen und tadele dich selbst."(5)
Diesen Charakter-Kodex befolgend, strebt der Sufi nach dem höchsten Ideal. Und das zeigt sich besonders in seiner Interaktion mit anderen Sufis, mit seinen Gefährten. Ein Prinzip von futuwwa ist, niemals seine Mitbrüder auf dem Pfad zu vergessen. Muhammad al-Jurayri betont: "Treue und Rücksichtnahme anderen gegenüber ist ein Mittel, das Bewusstsein vom Schlaf der Unachtsamkeit zu erwecken und die Gedanken daran zu hindern, dem Verderben der Einbildung zu unterliegen."(6) So werden korrekte Haltung und korrektes Benehmen auch als Wege betrachtet, wach und achtsam zu sein und in einem Zustand des Erinnerns zu bleiben statt ins Vergessen abzugleiten, wo man sich in den Illusionen des Verstandes und des Egos verfängt. Die frühen Sufis hatten das Gefühl, dass besonders der Zusammenschluss mit anderen Sufis Schutz davor bot, ins Vergessen und in die Unachtsamkeit gezogen zu werden.(7)
In der Gemeinschaft von Sufis zu sein, die ähnliche Ideale und Verhaltensregeln teilen, hilft dem Wanderer, der Aufrichtigkeit seines Herzens treu zu bleiben. Den Weggefährten gegenüber empfundene und zum Ausdruck gebrachte Aufrichtigkeit ist die Basis dieser Ethik. Der Statthalter Abu Ahmad al-Hâfiz überliefert folgende Worte eines weisen Mannes:
"Eine der Regeln der Gefährten ist, einander aus ganzem Herzen zu lieben, einander mit Worten zu lehren und zu erziehen, einander mit seinem Besitz zu unterstützen, einander in der moralischen Gesinnung ausgerichtet zu halten und einander bei Abwesenheit zu verteidigen. Geselle dich zu denen, welche dir in deinen spirituellen Angelegenheiten voraus sind, und zu denen, welche in ihren weltlichen Angelegenheiten weniger glückreich sind als du."(8)
Dieser Verhaltenskodex wirkt als Schutz und hilft einem, die vom Ego und von negativen Charakterzügen ausgelegten Fallstricke wie Stolz oder Verurteilen zu vermeiden und positive Charaktermerkmale wie Bescheidenheit, Großzügigkeit und eine bejahende Einstellung zu entwickeln. Adab ist kein förmliches oder vorgeschriebenes Verhaltensmodell wie Manieren, die je nach sozialem oder kulturellem Standard sehr unterschiedlich sein können, sondern adab entspringt einer inneren Haltung, die sich völlig natürlich im äußeren Verhalten spiegelt. Es ist Ausdruck der wahren Würde des menschlichen Geistes. So zeigt sich zum Beispiel die Großzügigkeit des Geistes wie selbstverständlich in einer äußeren Großzügigkeit, und die innere Haltung der Bescheidenheit manifestiert sich in dem natürlichen Handeln, andere sich selbst vorzuziehen. Dabei sind sich die Sufis jedoch der Gefahr nur zu bewusst, dass das Ego jedes spirituelle Verhalten für seine Eigenwerbung besetzt. Auf bescheidene Art zu handeln ist leichter, als wahre Bescheidenheit, wahre Demut, zu erreichen, und das Ego kann spielend eine Spiritualität für sich beanspruchen, die es gar nicht selbst erarbeitet hat. Die Malamatis waren sich dieser Gefahr besonders bewusst und handelten oft auf "unspirituelle" Weise, um Tadel auf sich zu ziehen und das Ego außer Gefecht zu setzen.
INNERES ADAB
Diese traditionellen Sufi-Praktiken bieten einen wertvollen Weg, den wahren Adel der Seele zu leben und so den Respekt, der einen wirklichen Menschen kennzeichnet, zu betonen. Jedoch findet das Praktizieren des Sufismus im Westen von heute in einem kulturellen Umfeld statt, das sich sehr von dem der frühen Sufis im Mittleren Osten unterscheidet. Während niedriger Charakter und selbstsüchtiges Verhalten schon immer bei den Menschen vorhanden waren, fördert unsere derzeitige Kultur des globalen Konsumwahns zielstrebig das Ego und dessen Wünsche, begünstigt Machtstreben statt Bescheidenheit und unterstützt Gier statt Großzügigkeit. Die Werte dieser Ära kultivieren Eigennutz im Gegensatz zu wahrem Charakteradel und leisten wohl eher Respektlosigkeit Vorschub als Möglichkeiten zu bieten, Respekt zu entwickeln und zu zeigen. Das heutige Ödland des Materialismus stellt all jene vor besondere Herausforderungen, die Qualitäten leben wollen, die die Seele nähren.
Außerdem macht es im Westen unsere Ausrichtung auf den Individualismus und die damit zusammenhängenden Bilder von Freiheit schwerer, von außen angeratene Verhaltensmuster anzunehmen. Wir verschlingen zwar Selbsthilfe-Bücher, aber spirituelle Verhaltensregeln zu lernen, ist uns fremd und trägt eher den Makel von Sekte oder Fundamentalismus als dass es als ein Pfad zu wahrem Menschsein begriffen wird. Das heißt, wir müssen uns neu erschließen, was adab für jeden von uns bedeutet. Statt ein Handbuch aus dem 11. Jahrhundert zu studieren, geht es darum, zu den Werten der Seele, die in uns sind, zurückzukehren und zu lernen, was es beinhaltet, mit Gott zu leben. In dieser Ära individueller Verantwortung heißt das, individuelle Verantwortung für unsere Beziehung zu einander, zu unserer Seele und zu Gott zu übernehmen.
Äußere Übungen können uns helfen zu vermeiden, vom Ego und von unserer niederen Natur beherrscht zu werden. Doch dieses innere adab schafft das eigentliche Gefäß, das wir brauchen, um den Pfad in unserem Alltag in der heutigen Kultur zu halten. Entwickeln wir dieses innere adab nicht, werden wir nur zu leicht von den Ego gesteuerten Werten, die uns umgeben, fortgeschwemmt. Wir gehen dann in dieser Kultur des Vergessens unter.
Inneres adab ist die Bekräftigung unserer Seeleneigenschaften und der wahren Würde in uns. Es hat mit dem tiefen Respekt für das Göttliche in unseren eigenen Herzen wie auch im Gesamt des Lebens zu tun. Wenn es uns gelingt, diesen Respekt für das Göttliche zu leben, werden wir eine natürliche Weise des Seins finden, die unsere eigene Seele wie auch die Seelen all derer nährt, mit denen wir zusammen kommen. Wir lernen in der Gegenwart Gottes zu leben. Die Geschichte von Mose und dem brennenden Dornbusch im Buch Exodus der Bibel ist ein Beispiel für die grundlegende Haltung, die man braucht, um sich Gott zu nähern. Als Gott aus dem Dornbusch ruft, antwortet Mose: "Hier bin ich!" Und Gott sagt: "Tritt nicht näher heran! Zieh deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliger Boden!"(9) Zu lernen, seine Schuhe, unsere weltlichen Einstellungen und Verhaltensweisen, auszuziehen, ist notwendig, will man auf heiligem Boden stehen. Sonst hat man nicht die richtige respektvolle Haltung.
Im spirituellen Leben geht es zu allererst darum, wie man sich dem Göttlichen nähert und dann eine Beziehung zu Ihm zu schaffen. Wir müssen, wie Mose, unsere Schuhe ausziehen und die Gewohnheiten unseres Egos und unserer niederen Natur zurücklassen. Wollen wir Gottes Stimme vernehmen, müssen wir lernen, wie wir mit der richtigen Haltung in Seiner Gegenwart sein können. Diese Haltung kommt vom inneren adab heraus.
ADAB und INNERE TRANSFORMATION
Um die Reise zu Gott machen zu können, müssen wir das freilegen, was es im Tiefsten bedeutet, Mensch zu sein: den Adel des Geistes. Das ist eine Reise von der Welt des Egos und unserer niederen Natur zu einem Leben, das aus den viel wesentlicheren Qualitäten der Seele heraus gelebt wird. Damit ist eine innere Transformation verbunden, ein innerer alchemistischer Prozess, der das Blei unserer eigenen Dunkelheit in das Gold unseres wahren Selbst umwandelt.
Jede innere Transformation braucht ein Gefäß, um sicher zu stellen, dass der Umwandlungsprozess nicht verunreinigt oder unterbrochen wird. In der Alchemie nennt man es das vas bene clausum, das "wohl verschlossene Gefäß", das notwendig ist, damit das opus vollständig durchgeführt werden kann. Für den Alchemisten des Herzens ist die Charakterhaltung, besonders das innere adab, das Gefäß, das unedle Elemente in der Psyche oder äußere Einflüsse abhält, diesen bedeutsamen Prozess zu stören oder zu unterbrechen. Die Alchemisten haben oft gewarnt, dass, zerbricht das Gefäß oder bekommt es Risse, der ganze Prozess von neuem beginnen muss.
Der Wanderer ist sich oft der Tücken der Reise, der Gefahren im Prozess der Transformation nicht bewusst. Wir bekommen dabei Zugang zu stärkeren Energien in unserer Psyche – zu Energien, die charakterliche Reife und Reinheit unserer Absichten erfordern, wollen wir nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Wenn wir zum Beispiel Primärkräften aus den Tiefen unserer Psyche begegnen, so sind es, psychologisch gesehen, unsere Standfestigkeit und unser guter Charakter, die uns vor der amoralischen Natur der archetypischen Welt mit ihren oft destruktiven Kräften schützen.
Auf dieser Reise reichen von außen übernommene Verhaltensregeln nicht aus. Die wahre Führung und Unterscheidung müssen aus dem Inneren kommen. Es ist unser inneres Wesen, das von Kräften oder Energien jenseits unserer Kontrolle attackiert und unterminiert werden kann, und die von uns entwickelten inneren Qualitäten sind es, die dann gebraucht werden, um uns auszugleichen und zu halten. So ist zum Beispiel Demut notwendig, wenn wir Kräfte der archetypischen Welt erfahren, die nur zu leicht zur Inflation führen. Ist unser inneres adab nicht stark genug, können diese Kräfte sich ohne weiteres unserer bemächtigen, und wir verlieren dann die Verbindung, die uns führt, und gehen verloren. Diese Kräfte können sogar unsere Psyche schädigen.
Das Selbst, das göttliche Licht in uns, ist unser wahrer Führer und Beschützer. Durch unser sehnsuchtsvolles Streben und unsere Hingabe und Liebe schaffen wir eine Verbindung zu diesem Licht im Herzen. Das Selbst führt uns durch das Labyrinth unserer Psyche und ist die Wirkkraft unserer Transformation. Doch wie oft unterbricht unsere niedere Natur unser Streben und verhüllt uns unser Licht? Wie oft verstricken wir uns in Zorn und Feindseligkeit? Das Ego leitet uns wieder und wieder in die Irre, und das Unbewusste versucht uns zu verführen. Ohne ein gutes Wesen, einen guten Charakter sind wir unserer niederen Natur ausgeliefert, wie Hamawi es beschreibt:
"Wenn jemand nicht allein darin versagt, die für das Zusammensein mit dem Herrn [adab al-ma 'iyyal] angemessenen Verhaltensprinzipien zu beachten, sondern sich in Gesellschaft seiner niederen Natur [nafs] befindet, wird diese Person durch ihr niederes Selbst von ihrem Meister getrennt, und das ist die Trennwand, die am hinderlichsten ist."
Wie Dhu'l-Nun es einmal ausgedrückt hat: "Die undurchdringlichste und am schwierigsten zu entdeckende Trennwand ist, wenn man mit dem niederen Selbst und seinen dunklen Intrigen beschäftigt ist."(10)
Im Sufismus bedeutet "Verbundenheit mit Gott", das korrekte adab mit Gott zu sein zu befolgen, und es beruht auf dem koranischen Vers: "... Er ist, wo immer ihr seid, mit euch" (57:4) Er ist immer mit uns. Wir gehen den Pfad mit Ihm. Und wir müssen uns um Seinetwillen immer von unserer besten Seite zeigen, auch wenn wir uns Seiner Gegenwart nicht bewusst sind.
In Zuständen des Erinnerns, wenn das Herz mit Ihm erwacht ist, fällt es leichter, unser adab zu praktizieren. Wie jeder Liebende wollen wir für unseren Geliebten in Bestform sein. Aber gerade dann, wenn wir im Zustand des Vergessens sind, wenn Er von uns getrennt scheint oder unzugänglich, müssen wir uns am nötigsten auf unser adab besinnen. Denn in diesen Zeiten sind wir am anfälligsten für die Stimme und die Täuschungsmanöver unseres Egos und unserer niederen Natur. Ist Er verhüllt, sind wir dennoch weiter mit unserem eigenen inneren Licht verbunden, aber verfangen wir uns in den "Projekten" unseres Egos, können wir rasch diese Verbindung verlieren und noch weiter ins Vergessen abgleiten und sogar in der Dunkelheit verloren gehen. Und das Ego kennt viele "Projekte", viele Einwände und Pläne, uns zu unterminieren. Es ist sehr erfinderisch und so geschickt, die Illusionen der Welt dahin zu manipulieren, uns vom Pfad abzulenken und in seinem Machtbereich zu halten.
Der Pfad ist auch voller unerwarteter Ereignisse und Schwierigkeiten. Das Leben schenkt uns viele Möglichkeiten. Ohne dass uns das Licht des Selbst führt, verlieren wir leicht unseren Weg und verpassen die uns gegebenen Chancen. Unversehens haben uns die Dramen und Ablenkungen vereinnahmt, die unsere Energie rauben oder sogar unser ganzes Leben in eine unnötige Richtung lenken können. Das ist einer der Gründe, weshalb die Sufis Wachsamkeit praktizieren, damit sie im Zustand innerer Achtsamkeit bleiben. Doch uns schützt auch der Adel des Charakters und hält unsere Verbindung zu unserem inneren Licht sogar in Zeiten größter Herausforderung. Später, wenn wir tiefer ins Herz eingetaucht sind, kommen wir in ein Stadium, wo wir nie das Licht des Herzens verlieren können. Es ist dann immer in unserem Leben gegenwärtig. Trotzdem brauchen wir noch die Eigenschaften eines guten Charakters, damit sie uns helfen, durch die innere und äußere Welt zu gehen und dabei dem treu zu bleiben, was wahrhaft ist inmitten all der Täuschungen und Probleme, die uns begegnen.
Adab zu praktizieren heißt zu lernen, was es bedeutet, in der Gegenwart Gottes zu leben, um Seinetwillen hier zu sein. Ohne adab sind wir unserer niederen Natur auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und durch unser Ego getrennt. Wie können wir dann Sein Diener sein, aufmerksam für Seinen Ruf? Adab ist das Gefäß und der Schutz, den wir brauchen, damit es uns möglich ist, mit Ihm zusammen zu gehen und Ihm nach Seinem Willen zu dienen. Wir alle haben diese Qualitäten in uns, denn sie gehören unserer Seele an, unserer göttlichen Natur. Doch wir müssen lernen, wie man sie entwickelt und lebt, wie man den innersten Respekt der Seele in den Alltag bringt. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einer Kultur leben, die diese Werte nicht unterstützt, die danach trachtet, uns tiefer ins Vergessen zu ziehen. Aus diesem Grund brauchen wir die Gemeinschaft von Freunden, von denen, die die Qualitäten des Herzens gemeinsam haben, deren adab uns auf unserer Reise unterstützt, so wie unser gutes Wesen allem um uns Licht bringt.
Fussnote
(1) Sara Sviri, The Taste of Hidden Things, The Golden Sufi Center, 1997, S. 165
(2) zit. von Cyril Glasse in: The Concise Encyclopedia of Islam, Harper Collins, 1991, S. 22.
(3) The Way of Sufi Chivalry, übers. von Tosun Bayrak al-Jerahi, Inner Traditions, 1983, S. 6. In Europa hing im Hochmittelalter die ritterliche Tugendlehre mit dem Kodex Galanten Ritterlichen Benehmens zusammen, ein Leitideal und Ethos, das Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Großzügigkeit und viele Tugenden mehr beinhaltete. Dieser Kodex tugendhaften galanten Verhaltens war auch mit den Idealen der Höfischen Liebe und ihrer moralischen Dimension verbunden, wozu z.B. das Vermeiden von Falschheit und Lüge gehörten. Hinzu kommt bei der Höfischen Liebe noch die spirituelle Dimension, in ihrer höchsten Ausformung durch die Beziehung zur Jungfrau Maria verkörpert.
(4) The Way of Sufi Chivalry, Inner Traditions, 1983, S. 90.
(5) Sara Sviri, The Taste of Hidden Things, S. 169.
(6) Muhammad al-Jurayri zit. aus: The Way of Sufi Chivalry, S. 80
(7) die Buddhisten betrachten die Bedeutung der Sangha ganz ähnlich.
(8) The Way of Sufi Chivalry, S. 88.
(9) Exodus, 3:5.
(10) Affirmation of Divine Oneness, "Commentary of Sheikh 'Alî b. 'Alawân al-Hamawî,"übers. von Muhtar Holland, Al-Baz Publishing, 1997, S. 54.